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Literarische Figuren in frühen Texten des japanischen Autors Nagai Kafû (1879-1959) (DFG)

Figurenmodelle im literarischen und historischen Kontext

Projektverantwortlicher: Prof. Dr. Stephan Köhn

Projektleiterin: Dr. Nina Theile

Projektmitarbeiter: Martin Thomas, M.A.

Förderzeitraum: Dezember 2016 - November 2019

ABSCHLUSSBERICHT (zum Download)

Nagai Kafū (1879–1959) zählt zu den bedeutendsten japanischen Schriftstellern der Moderne. Sein umfangreiches Werk, das durch großen Formenreichtum besticht, bietet dem Leser vielfältige Einblicke in die kulturellen Wandlungsprozesse, die das gesellschaftliche Leben in Japan zu seiner Zeit bestimmten. Darüber hinaus können die von ihm im Rahmen seiner Aufenthalte in Amerika (1903–07) und Frankreich (1907–08) verfassten Texte als literarischer Ausdruck seiner Begegnung mit der Fremde betrachtet werden. Ähnliche Erfahrungen hatten seit der Öffnung des Landes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele japanische Intellektuelle in ihrem Denken geprägt und waren wesentlicher Impulsgeber bei der Suche nach einer eigenen nationalen Identität gewesen.

Bisher hat sich die Forschung überwiegend dem Einfluss fremdsprachiger Autoren auf Kafūs Werk sowie der Untersuchung des kulturkritischen Potentials seiner Schriften gewidmet. Im vorliegenden Projekt soll der Schwerpunkt nun auf einer erzähltheoretischen Analyse liegen. Ziel ist die systematische Erschließung der literarischen Figuren, denen der Leser in den frühen Texten Kafūs, welche im Zusammenhang mit seinen Auslandsreisen entstanden sind, begegnet. Neben einer detaillierten Beschreibung deren narrativer Konstruktion sollen in einem ersten Schritt häufig wiederkehrende Figurenmodelle herausgearbeitet werden. Anschließend wird versucht, diese Modelle über eine kultur- und epochenspezifische Kontextualisierung zu literarisch etablierten Figurentypen und historisch verankerten Menschenbildern in Beziehung zu setzen.

Grundlage für die angestrebte Untersuchung bilden neuere erzähltheoretische Ansätze aus dem Bereich der kognitiven Literaturwissenschaft, welche die aktive Rolle des Lesers bei der (Re-)Konstruktion fiktiver Welten betonen. Hierbei geht es unter anderem darum, welche Wissensbestände in den Prozess der Lektüre einfließen und in welchem Maße sich Autoren darauf verlassen, dass diese vom Leser zur Bedeutungskonstitution herangezogen werden. In Bezug auf die Analyse der Figuren der Werke Kafūs bietet sich so die Möglichkeit, die häufig nur wenig individualisiert erscheinenden Figurentypen als bewusst konzipierte Einheiten zu betrachten, deren komplexe Strukturen mit SCHNEIDER (2000) auch in den diskursiv geformten Persönlichkeitstheorien ihrer Zeit zu suchen sind.

Neben der Erarbeitung neuer Facetten des literarischen Frühwerks des Autors möchte das vorliegende Projekt somit ebenfalls einen Beitrag zur narratologischen Figurenforschung leisten. Hierfür wird der Fokus der Betrachtung zunächst auf die kürzeren Texte des Korpus gelegt, um im Hinblick auf deren noch genauer zu untersuchende Zugehörigkeit zum Genre der Kurzgeschichte nach gattungsspezifischen Besonderheiten der Figurendarstellung fragen zu können.

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